Bericht einer Ordensschwester im April 1943
Ein Bericht über die Aufhebung der Anstalt für weibliche Schwachsinnige, Epileptische und Leichtgeisteskranke
„Da das St. Gerhardus – Hospital eine sehr ruhige Lage hat, plante die Militärverwaltung schon seit einiger Zeit, hier ein Lazarett einzurichten. Vor einigen Wochen wurde dieser Plan zur Wirklichkeit. Wir erhielten ein Schreiben des Oberstabsarztes d. Heeres San. Staffel Attendorn v. 22. März 1943 mit der Mitteilung, daß unser Krankenhaus für die Belegung mit 120 Betten durch das Wehrkreiskommando VI in Anspruch genommen werden soll.
Zu diesem Zweck wurde die Räumung der hiesigen Anstalt erforderlich, und es war deshalb notwendig, daß die Pfleglinge in eine andere Anstalt verlegt wurden. Auf eine diesbezügliche Anfrage bei dem Landesfürsorgeverband der Provinz Westfalen in Münster wurde uns mitgeteilt, daß die Kranken in der Heilanstalt zu Marsberg untergebracht werden könnten. Da sich unter den betr. Pfleglingen noch einige Arbeitskräfte befanden, welche wir zur Aufrechterhaltung unseres Betriebes nicht gut entbehren konnten, wurden uns auf verschiedene Anträge gestattet, 6 Pfleglinge in Familien-Pflege hierbehalten zu dürfen. Die übrigen 73 Pfleglinge des Landesfürsorgeverbandes der Provinz Westfalen, sowie weitere 4 Kranke wurden am 9. April 1943 in Begleitung von 7 Schwestern in die Anstalt zu Marsberg überführt. Die Deutsche Reichsbahn stellte uns auf Antrag 2 Wagen zu Verfügung, welche, wenn es notwendig war, umrangiert wurden, damit der Transport ohne Störung und Aufenthalt verlaufen konnte.
Die Vorbereitung zu dieser Reise nach Marsberg war für alle Beteiligten eine sehr schwere Aufgabe. Schon der Gedanke, daß unsere Anstalt, welche schon seit langen Jahren bestanden hat und zu einem großen Segen für so manche arme hilflose Kranke gewesen ist, nun anderen, wenn auch sehr guten Zwecken dienen soll, stimmte uns alle traurig. langen Jahren bestanden hat und zu einem großen Segen für so manche arme hilflose Kranke gewesen ist, nun anderen, wenn auch sehr guten Zwecken dienen soll, stimmte uns alle traurig.
Obschon die Pflege der Ärmsten der Armen mit so vielen Opfern verbunden war, so haben doch alle Pflegeschwestern in der Anstalt mit vieler Liebe und großer Treue ihre schweren Pflichten erfüllt und sie waren stets in selbstloser Weise darauf bedacht, den armen Kranken die fehlende Liebe des Elternhauses zu ersetzen. So besaßen unsere Pfleglinge hier wirklich eine Heimat. Viele von Ihnen waren schon seit 20 – 30 Jahren hier untergebracht und manche hatten noch so viel Verstand, daß sie die Trennung von hier sehr bitter empfanden. So war der Abschiedstag für alle ein sehr großer Trauertag und es war uns allen, als wenn ein großer Segen aus dem Hause getragen würde.
Morgens um fünf Uhr begann unter vielen Aufregungen der Kranken die Wanderung an die Bahn. Alle Schwestern waren hilfsbereit, denn ein Teil der verkrüppelten, hilflosen Pfleglinge mußte in zwei Krankenautos an die Bahn befördert werden. Dank der guten Vorbereitungen war alles zur rechten Zeit erledigt und die weitere Reise nach Marsberg verlief ziemlich ruhig. Manche von den Kranken freuten sich, im Zuge fahren zu dürfen.
Am Bestimmungsort angelangt wurden die Pfleglinge von fünf Pflegeschwestern und anderem Personal sowie einem Krankenwagen erwartet. Auch hier verlief alles ordnungsgemäß. In der Anstalt wurden die Kranken auf verschiedene Abteilungen untergebracht, die Schwestern ebenfalls gut aufgenommen und bewirtet und trafen mit mancherlei Verspätungen am anderen Tage hier wieder ein. Z. Zt. werden hier die Vorbereitungen für die Einrichtung eines Militär Lazarettes getroffen.
Drolshagen im April 1943“