Die dezentrale Phase der Euthanasie

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Der Hintergrund
Durch seinen Euthanasie-Erlass versuchte Adolf Hitler die Ermordung von behinderten Menschen zu legitimieren. Es gab jedoch nie ein Gesetz, das die von Hitler als „Gnadentod für unheilbar Kranke“ bezeichneten Tötungen regelte.

Ab 1941 kam es zunächst im Rahmen der „Aktion T4“ zu zentral aus der Tiergartenstraße 4 in Berlin gesteuerten Deportationen von geistig Behinderten in Tötungsanstalten wie Hadamar. Nachdem der Münsteraner Bischof Clemens August Graf von Galen durch Anstaltsleitungen auf die Behindertenmorde aufmerksam gemacht wurde und seine berühmte Predigt zur Euthanasie hielt, wurden die Aktion T4 gestoppt. Die Nationalsozialisten hielten aber an der Absicht, sogenanntes „unwertes Leben“ zu vernichten, fest. Die Morde fanden von da an aber eher dezentral statt. In staatlichen „Heilanstalten" geschah dies z. B. durch Verwahrlosung, Unterversorgung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten sowie mit der Verabreichung von überdosierten Beruhigungsmitteln. Begründet wurde diese Handlungsweise mit den nur begrenzt vorhandenen Ressourcen. Angehörige wurden in der Regel dann mit fadenscheinigen Todesursachen wie „Lungenentzündung“ abgespeist.
Im Laufe des Krieges nahmen die Bombardements auf die Großstädte zu und damit auch die Zahl der Verletzten. Zudem wurden viele Krankenhäuser zerstört, was dazu führte, dass ganze Krankenhausabteilungen aus den Großstädten in die Heilanstalten verlegt wurden. Um hier den notwendigen Platz zu schaffen, wurde vielen behinderten Menschen in den staatlichen Heilanstalten die nötige Versorgung entzogen. Somit waren sie dem Tod preisgegeben. Andere deportierte man in regelrechte Tötungsanstalten.
Das St. Gerhardus-Hospital in Drolshagen wurde im April 1943 teilweise für ein Reservelazarett der Wehrmacht beschlagnahmt. Die Station St. Joseph musste deshalb geräumt und 77 der Patientinnen in die Provinzial-Heilanstalt Marsberg „verlegt“ werden. Es handelte sich aber nicht um eine übliche Verlegung von einer Krankenanstalt in eine andere, sondern um eine regelrechte Deportation, da sie auf staatlichem Zwang beruhte und weder die Betroffenen noch deren Angehörige gefragt wurden.
1941 hatte die Provinzial-Heilanstalt Marsberg 768 Patienten. In eine Anstalt dieser Größe kamen am 9. April 1943 an nur einem Tage weitere 77 behinderte Frauen hinzu. Zudem waren die Anstalten durch Fremdbelegungen in ihrem Raumangebot auf 60 Prozent ihrer eigentlichen Größe beschränkt.
Die Heilanstalt in Marsberg war also schon zu diesem Zeitpunkt vollkommen überbelegt und litt durch den Krieg unter einem Mangel an Ärzten und Pflegepersonal. Hinzu kam der Mangel an Nahrungsmitteln und Medikamenten, was zu Krankheiten wie der Tuberkulose führte. Viele Kranke ließ man so wissentlich durch Hunger und Entkräftung sterben.