Versunkene Siedlungen
Der Weg ging weiter in Richtung Herrnscheid an der ehemaligen Furt durch den Rosebach vorbei, die für einzelne Personen aus der Gruppe noch in Erinnerung war. In einem ersten Kurzreferat erläuterte der Referent die Entstehung der Wüstungen, wie verlassene Siedlungen genannt werden und räumte mit einem Urteil auf, dass die in Dokumenten aus dem 15. Jahrhundert erwähnte Siedlung Hernscheid auf dem Hügel oberhalb der Stadt gelegen habe. Vielmehr wurden Siedlungen bei den Rodungen entweder in Quellmuldengebieten, also nahe an einer wasserreichen Quelle oder an einem Zusammenfluss zweier Gewässer angelegt, damit die Versorgung mit Wasser von Mensch und Tier möglichst einfach vonstattengehen konnte. Im Tal der Theimicke, also unterhalb des Berges konnten die Wanderer eine flache Stelle in der Nähe des Bachs, aber hochwassergeschützt ausmachen. Hier wurden Mitte des letzten Jahrhunderts bei einer Anpflanzung von Fichten Reste einer vom Brand geröteten Tenne gefunden. Der Name der bereits 1355 erwähnten Siedlung Hernscheid kam nicht, wie oft vermutet wurde, von den „Herren“ oder Besitzern her, sondern bezeichnete eine Siedlung die vor einem harten, steinigen Hügel liegt. Die „Scheide“ bezeichnete dabei nicht die Spitze des Berges, sondern verweist auf eine Siedlung, die vor oder in der Nähe einer trennenden Anhöhe liegt. Damit wäre der Name der alten Siedlung, die heute zu einem Gemarkungsnamen geworden ist: ein Ort, der vor einer steinigen Anhöhe liegt. Beim Abstieg durch den Bachgrund der Theimicke konnten auch Überreste von ehemaligen Ackerterrassen entdeckt werden, was der Bebauung in Rodungsflächen und an Hanglagen entspricht.
Nicht lange mussten die Wanderer gehen, bis sie an die Stelle kamen, an der die Siedlung „Aldenvelde“ gelegen hat. Diese lag an dem Zusammenfluss der Theimicke mit dem Wormbach auf der Hangseite, um hochwassergeschützt zu sein. Nach den Beschreibungen des ehemaligen Kreisheimatpflegers Günther Becker befand sie sich am oberen Ende des heutigen Stadtparks, der auf einer alten Industriebrache angelegt wurde. Das älteste Dokument zu dieser Siedlung stammt von 1349. Dokumente des Klosters Herford von 1416 verweisen auf den Hof „Oldenfelde“ im Kirchspiel Drolshagen.
Die Wanderung führte nun talaufwärts an dem Wormbach vorbei, wobei der Referent auch die Entstehung der Namen der Orte erläuterte, an den sie vorbeigingen, z.B. an Stupperhof, dem Ort, der erst Stuttberch genannt wurde, bezogen auf eine Stufe in der Landschaft, die erst später den Namen eines Hofes dazu bekam, an Gipperich, dessen Entstehung aus dem ältesten Namen von 1416 als Gittenberghe abgeleitet wurde und Wormberg, dessen Grundwort –berg eher auf den Wormbach zurückzuführen ist, da der älteste bekannte Ortsname Wormbrige lautet.
Unterhalb von Benolpe stieß die Gruppe auf einen weiteren Ort, an dem eine Siedlung gelegen hat. Es ist dies „Im Alten Hof“, die nach Becker am Zusammenfluss des Bachs, der von Gelslingen herunterkommt und dem kleinen Bach des Siepen am Ortsrand von Benolpe gelegen hat. Auf dem digitalen Geländemodell und der Karte des Messtischblatts von 1896 sind die von Menschenhand geformten Terrassen wie auch in der Landschaft deutlich zu erkennen. Auf den durch den Abtransport des Schadholzes beschädigten Wegen zog die Gruppe weiter zur nächsten, am besten dokumentierten Wüstung Drolshagens Steupingen, die in der heute Lürrwiese genannten Gemarkung gelegen hat. Hier sind in den 50-ger Jahren des letzten Jahrhunderts nicht nur Scherben von mittelalterlicher Gebrauchskeramik, sondern auch Überreste eines eisernen Pflugs aus dem frühen Mittelalter gefunden worden. Ausgrabungen haben den Standort bestätigt. Steupingen, das als eine Stelle in einem abgestuften Gelände benannt wurde, wurde wie Hernscheid im Zuge der Stadtgründung von Drolshagen 1477 verlassen, wobei davon auszugehen ist, dass wie die Äcker der anderen Siedlungen diese weiter bewirtschaftet wurden. Im Gegensatz zu Hernscheid, deren Name von der Gemarkung abgeleitet wurde, hat die Siedlung Steupingen der unmittelbar anschließenden Erhebung ihren Namen gegeben. Zu Steupingen gibt es auch einen ausführlichen Artikel in Wikipedia.
An dieser Stelle erzählte der Referent auch die Sagen der Hexe von Steupingen, die in zwei unterschiedlichen Versionen vorliegen, und die von der „Kuhle im Fredebruch“, die ebenfalls einen Bezug zu Steupingen hat, und ordnete sie ein in die Entstehung dieser Erzählungen, die erst Jahrhunderte später als erbauliche oder moralische Erzählungen im gleichen Muster in vielen deutschen Landschaften erzählt wurden. Sie bezogen sich dabei auf in noch in Überresten vorhandene oder in der Erinnerung gebliebene ehemalige Siedlungen, die „versunken“ sind. Bemerkenswert ist auch, dass die Erinnerung an die „Kuhle“ im Fredebruch, das ist am Ortsausgang von Drolshagen Richtung Olpe, mit einer ebenfalls im Mittelalter aufgegebenen Wassermühle korrespondiert. Nach fast vier Stunden Weg, Erzählungen und Deutungen kamen die Wanderer im Heimathaus an, wo in der Gaststube ein kühles Bier als Belohnung für die Anstrengungen wartete. Auf Wunsch kann diese Wanderung auch wiederholt werden oder weitere wie z.B. zum Ort der Wüstung Bermicke unternommen werden.