Leben mit Behinderung ist lebenswert

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Leben mit Behinderung ist lebenswert

Menschen mit Behinderung sind wertvoller und normaler Teil unserer heutigen Gesellschaft.

Dass es eine Zeit gab, in der Menschen mit Behinderung ihr Recht auf Leben genommen wurde, ist schockierend und undenkbar für uns. Eine, die dieses Verbrechen an Drolshagener Frauen nicht kalt lässt, ist die Drolshagenerin Frau Christiane Kapusciok, die selbst auf einen Rollstuhl angewiesen ist.

Niederschrift ihrer Rede zur Einweihung der Gedenktafel im Mai 2023

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!

Ich heiße Christiane Kapusciok, wohne seit 2005 in Drolshagen und arbeite in Attendorn.

An diesem Gedenktag ist es mir wichtig Menschen mit Behinderung zu vertreten und ein Bild zu vermitteln, wie ein gutes Leben im Rollstuhl aussieht.

Durch die Liebe und den Erfindungsreichtum meiner Familie, war meine Kindheit sehr glücklich mit vielen Kontakten, Spaß in der Schule, Aktivitäten wie bei allen Kindern.

Dazu gehörte auch bei Bundesligaspielen live dabei zu sein um für Bayern München zu fiebern oder ABBA leibhaftig zu erleben. Rollstuhl hin oder her!

Anstrengend waren die langen Fahrten zur Schule bis nach Dortmund, welche damals die erste Schule für motorische Entwicklung war. Heute hätte ich in der nächsten Grundschule am Ort starten können.

Ich wäre gerne Erzieherin oder Krankenschwester geworden. Das hätte mir echt Spaß gemacht. Da fehlte damals ganz einfach das Laufen können.

Meine Arbeit in den Werthmannwerkstätten ist wahrscheinlich so, wie bei jedem von Ihnen, mal macht es richtig Spaß, mal ist es anstrengend und mal einfach langweilig. Wichtig sind auf alle Fälle die gute Arbeitsatmosphäre, der Spaß zusammen und das kulturelle Angebot. Das ist vielleicht ein Plus, das nicht jeder Arbeitgeber bietet. Bei uns gibt es selbstverständlich Sport, Chor, politische Bildung als Angebot für alle. Es gibt eine Offenheit für verschiedene Bedürfnisse der Beschäftigten, die vielleicht bei uns schon weiter entwickelt ist, als auf dem sogenannten "ersten" Arbeitsmarkt.

Mit Herz und Köpfchen eröffne ich mir viele Möglichkeiten, auch wenn Beine und Hände eingeschränkt sind. So sind wir, mein Partner und ich, in unserer Freizeit sehr mobil und organisieren gemeinsam unsere Aktivitäten. Mit Rollstuhltaxi ist viel möglich um in der näheren und weiteren Umgebung aktiv zu sein. Konzerte, Kino, Restaurantbesuche, Familientreffen und Reisen, sowie es die Gesundheit erlaubt. Unser gemeinsames Highlight war unsere erste Mallorcareise mit der Lebenshilfe.

Es ist nicht immer einfach, mit dem Kopf alles zu können, doch die Hände anderer brauchen zu müssen.

Aber es hat sich immer für mich gelohnt nicht aufzugeben! Mit Humor und Geduld! Das wäre auch meine Botschaft an Sie alle! Auch Menschen ohne Behinderung können in Krisen geraten! Jeder Mensch kann durch Krankheit oder Unfall eine Behinderung bekommen! Jeder von uns wird alt und bedürftiger! Trotzdem bleibt das Leben lebenswert und schön!

Lasst uns unsere Welt so bauen, dass man darin gut und sicher leben kann! Dazu gehört als grundsätzliche Voraussetzung das Lebensrecht für alle!

Dazu gehört aber auch lebenspraktische Dinge wie abgesenkte Bürgersteige, Aufzüge, bezahlbare Taxifahrten, genügend Pflegepersonal, einfacher Zugang zu Hilfsmitteln bis zu einem Recht auf eine berufliche Ausbildung auch für Menschen, wie mich! Denn als Erzieherin im Kindergarten arbeiten zu können, wäre mein großer Wunsch gewesen!

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!